KLIMAFASTEN (VI): Ein engagiertes Quintett berichtet über Müllvermeidung – wird der gelbe Sack bald überflüssig?
13. April 2019
Plastikfreies Leben – das geht doch gar nicht! Mag sein, aber junge Leute machen vor, dass es in diese Richtung gehen kann. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des katholischen Jugendbüros in Offenburg wollen sich nicht mit den Plastikbergen abfinden. Clemens Bühler, Leiter des Bildungszentrums Offenburg, sprach mit ihnen über ihr privates und berufliches Engagement. Der Beitrag ist Teil der Reihe zum Klimafasten.
Optimistisch wirken sie alle fünf: Das Bewusstsein für die Probleme mit Klimaveränderung und Umweltzerstörung sei bei vielen Menschen inzwischen vorhanden, es gebe eine große Öffentlichkeit für Umweltthemen.
Und allmählich wachse auch die Bereitschaft, nachhaltiger zu leben, auch wenn das gelegentlich der unbequemere Weg sei, so Sarah Henninger.
Auch die Forschung mache zunehmende Fortschritte, etwa bei der Entwicklung nachhaltiger Materialien, freut sich Pascal Noglik.
Falko Hoferichter hat die Hoffnung, dass es in 15 oder 20 Jahren für die meisten selbstverständlich ist, so nachhaltig wie möglich zu leben. Das Verbot von Plastiktrinkhalmen, der zunehmende Ersatz von Plastiktüten durch Papier, dessen Rohstoffe nachwachsen, oder durch wiederverwendbare Stoffbeutel – die Rahmenbedingungen beginnen bereits sich zu verändern. Dass im Offenburger Ree-Carre ein Biomarkt mit Vollsortiment entstehen soll, ermutigt sie.
Wer im Supermarkt an der Bedientheke Wurst oder Käse kauft, hat in der Regel weniger Plastikmüll im Einkaufswagen, als wenn er sich am Kühlregal bedient. „Eine Fernsehdokumentation über Strände und Meere, die mit Plastikabfällen vermüllt sind, hat mich geschockt. Da habe ich mein eigenes Konsumverhalten überdacht“, berichtet Linus Zipfel.
Hannah Kohl gibt zu bedenken: „Ein Problem sind die höheren Kosten, die immer noch mit nachhaltigen Gütern verbunden sind.“
Unverpackte und regionale Lebensmittel seien häufig teurer als eingeschweißte Ware, die einen weiten Weg hinter sich hat. Da muss die bei Berufsanfängern knappe Haushaltskasse geschickt eingesetzt werden. Einige von ihnen stehen erst seit kurzem auf eigenen Füßen und können ihren Alltag selbst gestalten – und erschrecken darüber, wie schnell sich der gelbe Sack füllt, wenn man gedankenlos einkauft. Es macht ihnen Mut, dass die Auswahl z. B. an unverpackter Ware oder an Gebrauchsartikeln aus nachwachsenden Rohstoffen zunimmt und mit steigender Nachfrage hoffentlich auch die Kosten sinken. Selbstbewusst präsentieren sie Zahnbürsten oder Wattestäbchen mit Holzgriff.
Dass ihr Arbeitgeber, die Erzdiözese Freiburg, mit ihrer Initiative „fair – nah – logisch“ Impulse für nachhaltiges Wirtschaften bis in die Kirchengemeinden hinein geben möchte, begrüßen sie. Allerdings muss sich dieser Gedanke dort erst noch etablieren. Und die Anschaffung einiger Elektroautos durch die Erzdiözese Freiburg sei nur ein erster Schritt, meinen sie.
Hannah, Sarah und Falko leiten seit einigen Monaten die kirchlichen Jugendbüros für Offenburg bzw. für das Dekanat Offenburg-Kinzigtal. Pascal unterstützt sie dabei in seinem FSJ. In den Gruppenleiter-Grundkursen wollen sie den Jugendlichen beispielsweise erfahrbar machen, dass nicht täglich Fleisch auf dem Speisezettel stehen muss. In der Bildungsarbeit mit den Jugendlichen wird Nachhaltigkeit ausdrücklich zum Thema gemacht, damit sie auf spätere Eigenverantwortlichkeit vorbereitet sind. Sarah schildert, wie der Inhalt eines gelben Sacks präsentiert und von den jugendlichen Gruppenleitenden untersucht wird. Viele Verpackungen wären vermeidbar – und dafür werden gemeinsam Alternativen überlegt. Die Jugendlichen verstehen, warum bei diesen Kursen Getränke in Glasflaschen angeboten werden. Kosmetika etwa oder eine Nuss-Nougat-Creme werden dann selbst hergestellt, was auch Ideen liefert für eigene Gruppenstunden in den Gemeinden. Linus, der als Schüler ein berufsorientierendes Praktikum im Jugendbüro macht, zeigt seine Geldbörse, die er auf dem Grundkurs selbst aus einer Getränkeverpackung gebastelt hat: Er nimmt sie, wenn er ins Schwimmbad geht; andere verwenden sie als „Feier-Geldbeutel“, weil er auch in kleine Taschen passt.
Nach Beobachtung der Jugendreferenten werden in der Schule zunehmend die sozial- und naturwissenschaftlichen Grundlagen zur derzeitigen ökologischen Situation vermittelt. Sie selbst sehen ihre Aufgabe darin, Anregungen zum praktischen Verhalten zu geben. Und wie stehen sie zur weltweiten Schülerbewegung „Fridays For Future“? Inhalte über die Hintergründe und v. a. die Beweggründe der Aktivisten teilen sie mit ihren Jugendlichen. Zum Schulstreik können bzw. dürfen sie allerdings nicht aufrufen, meint Hannah.
Eine ganze Reihe praxistauglicher Gegenstände, die man eher in der Wegwerfversion erwarten würde, haben sie mitgebracht: den coolen Damenrasierer mit Wechselklinge, die in Papierverpackung für wenige Cent zu haben ist; ihre persönlichen To-Go-Becher; ein mit Bienenwachs gebügeltes Tuch als wiederverwendbarer Ersatz für Frischhaltefolie – das gibt es auch in Bioläden. Glasröhrle statt Plastikhalme, Seifenstücke für Körper und Haare statt Seife in Plastikbehältern – zu Hause tut es auch angerührtes Roggenmehl zum Haarewaschen...
Man hat den Eindruck: Diese jungen Menschen brauchen bald keinen gelben Sack mehr.
Der Artikel gehört zur Aktion Klimafasten, zu der die Evangelische Kirche in Baden aufgerufen hat. In Offenburg stellt die Klimaschutzmanagerin Bernadette Kurte gemeinsam mit dem BUND-Umweltzentrum Ortenau, der Evangelischen Erwachsenenbildung Ortenau und dem katholischen Bildungszentrum Offenburg während der (Klima-)Fastenzeit jede Woche junge Menschen vor, die sich zum Thema der Woche äußern.